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Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz?

Viele Unternehmen haben aufgrund der Corona Krise enorme wirtschaftliche Verluste. Umsätze brechen bis zu 100% weg, weil Betriebsstätten von der Regierung de facto geschlossen sind. Lieferketten funktionieren nicht mehr. Trotzdem laufen die Fixkosten weiter. Ohne hier schwarz malen zu wollen: man braucht wenig Fantasie, um sich die Arbeit der Insolvenzgerichte in den nächsten Monaten vorzustellen.

In dieser Situation wird aktuell viel diskutiert, ob das Epidemiegesetz einen Anspruch auf Ersatz des erlittenen Verdienstentgangs bietet.

Tatsächlich sind auch schon Anträge beim Verfassungsgerichtshof eingegangen, in denen die verfassungswidrigkeit des COVID-19 Gesetzes geltend gemacht wird, weil dieses Ansprüche nach dem Epidemiegesetz für nicht anwendbar erklärt.

Dieser Artikel geht der Frage nach, ob denn tatsächlich ein Anspruch nach dem Epidemiegesetz besteht.

Dazu wird zuerst der Gesetzestext wiedergegeben, dann folgt eine kurze Auseinandersetzung damit.

Natürlich spiegelt das nur meine Meinung wider. Da es Gott sei dank eine derartige Krise in unserer jüngeren Geschichte und somit seit dem Inkrafttreten des Epidemiegesetzes 1950 noch nicht gegeben hat, hat die juristische Diskussion über die Bestimmung erst kürzlich begonnen und es gibt klarerweise keine Rechtsprechung, auf die man sich stützen kann.

§ 32 Epidemiegesetz: Vergütung für den Verdienstentgang

"Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

 

1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

 

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist."


So weit der Text des Gesetzes. Für Unternehmer ist aktuell die Ziffer 5 des § 32 Abs. 1 Epidemiegesetz interessant.

Der Text ist auf den ersten Blick auch ganz klar: Wer ein Unternehmen betreibt, das in seinem Betrieb beschränkt worden ist. Das trifft ganz klar auf nahezu alle Handels- und Dienstleistungsunternehmen derzeit zu.

Die Betriebsbeschränkung muss aber auf § 20 Epidemiegesetz beruhen.

Schauen wir uns diesen einmal an:

§ 20 Epidemiegesetz. Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen.

§ 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde.

 

(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.

 

(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

 

(4) Inwieweit die in den Abs. 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können, wird durch Verordnung bestimmt.


Man stellt also fest: COVID-19 ist in § 20 Abs. 1 Epidemiegesetz nicht erwähnt. Damit lassen sich die aktuellen "Betriebsschließungen" auch nicht mit § 20 Abs. 1 Epidemiegesetz begründen.

Hier scheint Abs. 4 des § 20 Abhilfe zu bringen: Durch Verordnung können die Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 bis 3 auch bei anderen anzeigepflichtigen Krankheiten getroffen werden.

§ 1 Epidemiegesetz erklärt unter anderem MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus/„neues Corona-Virus“) und SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) zu anzeigepflichtigen Krankheiten.

Also ist COVID-19 eine anzeigepflichtige Krankheit.

§ 20 Abs. 4 Epidemiegesetz ist also grundsätzlich anwendbar.

Jedoch gibt es keine Verordnung, die die Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 bis 3 Epidemiegesetz auf COVID-19 für anwendbar erklärt haben.

Vielmehr wurde ein eigenes Gesetz erlassen, eben das COVID-19-Maßnahmengesetz.

Dieses Gesetz enthält in § 1 eine eigenständige Verordnungsermächtigung:

"Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind."


Wurde damit das Epidemiegesetz ausgehebelt?

Klar ist: Die "Betriebsschließungen" gründen auf dem COVID-19-Maßnahmengesetz und nicht auf § 20 Epidemiegesetz. Damit besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz. Der setzt ja eine Maßnahme nach § 20 Epidemiegesetz voraus.

Ein Trick der Regierung? Vielleicht.

Vielleicht hätte die Verordnung auch auf § 20 Epidemiegesetz gestützt werden können. Dann wäre mit dem eigenen COVID-19-Maßnahmengesetz tatsächlich das Epidemiegesetz ausgehebelt worden.

Aber hätte der Gesundheitsminister die Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 wirklich auf § 20 Epidemiegesetz stützen können?

Das ist zweifelhaft. § 20 Epidemiegesetz geht davon aus, dass eine im Gesetz genannte (COVID-19 ist nicht dabei) anzeigepflichtige Krankheit von einem bestimmten Betrieb oder von einem bestimmten Gebiet ausgeht. Zur Verhinderung der Ausbreitung der Krankheit soll es möglich sein, die betroffenen Betriebe zu schließen.

Das COVID-19-Maßnahmengesetz hat einen anderen Hintergrund:

Das Virus geht ja nicht von bestimmten Betrieben aus, sondern kursiert in der gesamten Bevölkerung. Damit die Ausbreitung der Krankheit eingedämmt werden kann, sollen direkte menschliche Kontakte in höchst möglichem Maß verhindert werden. Daher sollen Menschen bis auf wenige Ausnahmen den öffentlichen Raum nicht betreten und um das wirksam abzusichern soll es nicht erlaubt sein, den Kundenbereich von Handels- und Dienstleistungsunternehmen zu betreten.

Eine derart weitgehende Betriebsbeschränkung hätte man nicht mit § 20 Epidemiegesetz begründen können.

Ergebnis

Es darf stark bezweifelt werden, dass § 20 Epidemiegesetz anwendbar gewesen wäre, um die aktuellen weit reichenden Betriebsbeschränkungen zu begründen.

§ 32 Epidemiegesetz verlangt aber eine Betriebsbeschränkung nach § 20 Epidemiegesetz.

Somit besteht nach dem Wortlaut des Epidemiegesetzes kein Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges.

Mögliche Vorgehensweise

Wie eingangs schon erwähnt, ist vieles um das aus 1950 stammende Epidemiegesetz noch ungeklärt. Es gibt keine Rechtsprechung und keine juristische Diskussion dazu.

Wer dennoch einen Anspruch geltend machen möchte, kann nach § 33 Epidemiegesetz binnen sechs Wochen nach Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirkshauptmannschaft oder beim Magistrat einen entsprechenden Antrag stellen.

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RA Mag. Bernd Trappmaier

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