Heute werde ich dir erklären, dass du als Arbeitgeber Bewerber im Bewerbungsgespräch diskriminieren musst. Das ist mein voller Ernst. Bitte lass dir nichts anderes einreden.
Wie komme ich zu dieser Aussage? Immerhin gilt ja ganz allgemein der Grundsatz, dass Arbeitgeber nicht diskriminieren dürfen. Das beginnt schon lange vor dem Bewerbungsgespräch. Nämlich bei der Stellenausschreibung.
Unlängst habe ich in der Presse über einen Fall gelesen, der mir wieder klargemacht hat, wie Bewerbungsgespräche für den Arbeitgeber völlig schief laufen können, obwohl dieser eigentlich gute Absichten hatte.
Konkret ging es um eine Bewerberin, die sich um einen Ausbildungsplatz zur Kindergartenassistentin beworben hatte. Es handelte sich um eine Muslimin. Sie hat den Ausbildungsplatz nicht bekommen. An dieser Stelle ist für die meisten schon klar, dass Diskriminierung im Spiel gewesen sein könnte.
Bevor wir uns das Thema genauer anschauen und ich dir insbesondere meine Meinung darlege, warum du alle Bewerber diskriminieren musst, will ich aber erst einmal tiefer in den Fall einsteigen.
Der Ausgangsfall
Der Fall hat sich 2018 in Wien zugetragen. Damals gab es infolge einer Bund-Länder-Vereinbarung in Kindergärten ein Kopftuchverbot für Mädchen. Die Bewerberin war Muslimin und sie trug beim Bewerbungsgespräch ein Kopftuch.
Im Bewerbungsgespräch soll die Bewerberin gebeten worden sein, ihr Kopftuch nach hinten zu binden oder am Besten gleich abzunehmen. Tatsächlich hat sie laut dem mir vorliegenden Zeitungsbericht das Kopftuch sogar wirklich abgenommen. Sie war dann aber so verunsichert, dass sie im Bewerbungsgespräch keine sinnvollen Antworten mehr geben konnte. Letztlich hat sie den Ausbildungsplatz nicht bekommen.
Offenbar hat sie sich in der Folge an den Verein zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern gewendet. Dieser hat in ihrem Namen eine Klage eingebracht und die Frau hat letztlich einen Schadenersatz von 2000 Euro zugesprochen erhalten. In der Begründung führte das Gericht aus, die Frau sei aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Religion diskriminiert worden.
Soweit zu dem Fall. Tatsächlich ist das aber nur ein Fall von vielen, die unsere Gerichte im Zusammenhang mit Diskriminierung schon beschäftigt haben.
Das Kopftuch kommt bei muslimischen Bewerberinnen häufig in Gerichtsentscheidungen vor.
Nach dem Oberlandesgericht Linz darf ein Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch eine Bewerberin muslimischen Glaubens fragen, ob sie bereit wäre, ihr Kopftuch während der Arbeit abzulegen. Diese Frage ist für sich allein ohne Hinzukommen weiterer Umstände legitim und diskriminierungsfrei.
Ich will mich aber hier keinesfalls allein auf die Diskriminierung im Zusammenhang mit der Religion beschäftigen, sondern das Thema breiter anlegen.
Die gesetzliche Grundlage
Schauen wir uns einmal die gesetzliche Grundlage an. Denn ohne Gesetz, gegen das ein Arbeitgeber verstoßen kann, kann es ja auch keine Klage und letztlich keinen Schadenersatz geben.
Die gesetzliche Grundlage ist das Gleichbehandlungsgesetz. Dieses Gesetz regelt im ersten Teil das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und im zweiten Teil das Verbot der Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung. Immer geht es dabei um den Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis oder eben der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses, also wie im Eingangsfall bei einem Bewerbungsgespräch.
Bei einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot sieht das Gesetz einerseits Geldstrafen vor, andererseits aber auch – wie im Eingangsfall – Schadenersatz.
Soweit zur gesetzlichen Grundlage. Wie gesagt, Entscheidungen zur Diskriminierung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis gibt es schon viele, sei es aufgrund des Geschlechts, der Religion, des Alters oder der sexuellen Orientierung.
Was bedeutet Diskriminierung überhaupt?
Das Gleichbehandlungsgesetz definiert den Begriff Diskriminierung und unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung.
Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechts oder ihrer Religion oder ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung in einer vergleichbaren Situation schlechter behandelt wird als eine andere Person, auf die diese Merkmale nicht zutreffen.
Das ist zwar für ein Gesetz typisch sperrig formuliert, trifft aber den Kern dessen, was sich jeder Mensch wohl unter dem Begriff vorstellt.
Schauen wir uns einmal an, wo der Begriff der Diskriminierung überhaupt herkommt.
Das Wort Diskriminierung stammt von dem lateinischen Zeitwort discriminare. Das bedeutet so viel wie trennen, absondern, abgrenzen, unterscheiden.
Das Wort „diskriminieren“ fand als Lehnwort im 16. Jahrhundert Eingang in die deutsche Sprache. Damals noch in der wertneutralen Bedeutung „unterscheiden, sondern, trennen“. Erst seit dem späten 20. Jahrhundert erhielt das Wort die negative Bewertung „jemanden herabsetzen, benachteiligen, zurücksetzen“.
Das bringt mich jetzt zurück auf die provokante These:
Warum du im Bewerbungsgespräch diskriminieren musst
Das meine ich natürlich auf keinen Fall im Zusammenhang mit dem Geschlecht, der Religion, dem Alter oder der sexuellen Orientierung. Ich will auch nicht zum Ungehorsam gegenüber dem Gleichbehandlungsgebot des Gleichbehandlungsgesetzes aufrufen.
Vielmehr möchte ich vom ursprünglichen, wertneutralen Begriff ausgehen. Ich möchte auch nur auf die Mitarbeitersuche und Mitarbeiterauswahl eingehen. Im Englischen gibt es dazu einen Ausspruch, der lautet
„Hire for Atitude. Train for Skills“.
Übersetzt bedeutet das, du sollst Mitarbeiter nicht nach ihren Fähigkeiten oder Kenntnissen einstellen. Die kannst du ihnen beibringen oder sie sie schulen und ausbilden lassen.
Viel wichtiger ist die Attitude, also die Einstellung eines Menschen. Diese Einstellung ist nämlich wesentlich schwerer zu verändern.
Ein Arbeitgeber sollte daher im Bewerbungsgespräch immer auf die Einstellung des Bewerbers achten. Dazu gehören auch seine Werte. Teilt der Bewerber die Werte des Unternehmens? Passt der Bewerber in die Unternehmenskultur? Dazu gehört auch die Einschätzung, ob es sich bei dem Bewerber um einen A-Mitarbeiter handeln könnte, der das Unternehmen voranbringt. Alle diese Faktoren sind wesentlich wichtiger als Fachwissen oder Erfahrung. Wissen kann vermittelt werden. Erfahrung muss der Mitarbeiter sowieso erst sammeln.
Wir schauen uns bei der Auswahl unserer Mitarbeiter die Zeugnisse gar nicht an. Noten interessieren mich nicht. Noten geben den Wissensstand zu einem bestimmten, oft schon lange vergangenen Zeitpunkt wieder. Und die Benotung ist trotz aller Objektivierungsversuche immer subjektiv. Allein schon deshalb, weil die Benotung die emotionale Situation, in der sich ein Prüfungskandidat befindet, überhaupt nicht berücksichtigt. Wie gesagt, fehlendes Wissen kann jederzeit vermittelt werden. Das ist gar kein Problem.
Etwas anderes ist es aber, ob ein Mensch offen ist. Ob er freundlich ist oder vielleicht sogar herzlich. Ob er kommunikativ ist. Oder pünktlich und ob er genau arbeitet.
Bewerbungsgespräch praktisch
Das in einem Bewerbungsgespräch herauszufinden ist selbstverständlich wesentlich schwieriger als sich Noten anzusehen oder einen Aufnahmetest zu machen. Hier muss man sich wirklich für den Menschen interessieren, der sich um die Stelle bewirbt.
Wir stellen daher gerne viel weniger Fragen an Bewerber, sondern lassen sie erzählen. Uns interessieren die Geschichten der Bewerber. Was haben sie erlebt, das sie begeistert hat. Warum können sie sich noch so gut an das Ereignis erinnern? Wo liegt ihre Leidenschaft? Was sind ihre Hobbies und was machen sie gern in ihrer Freizeit. Und warum.
Ein Bewerbungsgespräch ist für mich dann immer wieder ein Erfolg, wenn ich ein Leuchten in den Augen des Bewerbers sehen kann. Noch besser, wenn der Mensch vor mir geradezu vor Leidenschaft brennt. Dann stelle ich mir die Frage: ist das die gleiche Leidenschaft, die auch mich antreibt? Teilen wir die gleichen Werte?
Jesus sagte nach dem Matthäus-Evangelium zu Simon Petrus:
„Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“
Mit diesen Worten hat Jesus seinen ersten Mitarbeiter eingestellt und wir sehen ja heute, welches weltumspannende Unternehmen daraus geworden ist.
Ich stelle mir daher gern im Bewerbungsgespräch die Frage: Ist dieser Mensch ein Felsen, auf den ich meine Kirche bauen kann?
Wenn ich das mit Ja beantworten kann, dann habe ich die wichtigste Frage im Bewerbungsgespräch beantwortet.
Das ist für mich das, was „Hire for Attitude. Train for Skills“ bedeutet.
Und hier schließt sich für mich auch der Kreis zur Diskriminierung. Selbstverständlich diskriminiere ich Bewerber. Aber ich meine das im wertneutralen Sinn der ursprünglichen Bedeutung. Ich versuche Bewerber zu unterscheiden in solche, die eine Einstellung zu meinem Unternehmen haben, die Leidenschaft für den Beruf haben. Auf die ich eben meine Kirche bauen kann.
Und dann in solche Bewerber, bei denen ich diese Leidenschaft, dieses Feuer, das Funkeln in den Augen nicht sehe. Und auch wenn solche Bewerber das bessere Zeugnis haben, werde ich sie nicht einstellen. Und ja, wenn ich dafür einen Mann anstelle einer Frau nehme, oder einen Christen anstelle eines Muslimen, dann ist das so. Aber eben nicht wegen des Geschlechts oder wegen der Religion, sondern wegen des Leuchtens in den Augen.