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Abwerben von Mitarbeitern

Fragen Sie heute einen Unternehmer: Was ist dein größtes Problem im Unternehmen. Die Chance steht gut, dass die Antwort „Fachkräftemangel“ lautet. Aber ist das so? Gibt es wirklich nicht genug gut ausgebildete Arbeitnehmer? Und was können Sie gegen den Fachkräftemangel in Ihrem Unternehmen tun?

Fachkräftemangel

Laut einer Studie des Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsunternehmens Ernst & Young aus dem März 2019 haben 83 Prozent der österreichischen Mittelstandsunternehmen Schwierigkeiten, geeigneten Fachkräfte zu finden. 40 Prozent der heimischen Unternehmen würden infolge des Fachkräftemangels sogar erhebliche Umsatzeinbußen beklagen.

Der Unternehmensberater Dipl. Ing. Georg Fenzl (Ignaz Impulskraft; www.ignaz.biz) bringt es pointiert auf den Punkt:

 

Es gibt keinen Mangel an Fachkräften. Fachkräfte sind genug vorhanden. Sie arbeiten nur nicht bei dir, sondern bei deiner Konkurrenz.“

War for Talent

Zu beobachten ist, dass es einen Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter gibt. Und dieser Wettbewerb wird immer schärfer.

 

Diesen Wettbewerb haben Ed Michaels, Helen Handfield-Jones und Beth Axelrod haben 2001 in ihrem Buch „The War for Talent“ – also Der Krieg um Talente – beschrieben. Steven Hankin von der Unternehmensberatung McKinsey hat den Begriff „War for Talent“ bereits im Jahr 1997 geprägt.

Herrscht auf dem Markt für Arbeitnehmer Krieg? Und wenn ja, was können Unternehmen tun, um in diesem Wettbewerb die Nase vorn zu haben, die besten Fachkräfte anzuziehen und vor allem zu halten? Gibt unsere Rechtsordnung den Unternehmen Mittel an die Hand, sich gegen vermeintlich kriegerische Angriffe der Konkurrenz zu wehren?

Ist das Abwerben von Arbeitnehmern erlaubt?

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach betont, dass die Wettbewerbsfreiheit auch die Nachfrage nach Mitarbeitern umfasst. Unternehmen haben grundsätzlich keinen Anspruch auf den Mitarbeiterbestand. Das Abwerben oder Ausspannen von Mitarbeitern von einem Konkurrenten ist nicht an sich wettbewerbswidrig.

Anders kann es aber sein, wenn das Abwerben eines Mitarbeiters von einem Konkurrenzunternehmen unter Verleitung des Mitarbeiters zum Vertragsbruch erfolgt. Durch das Hinzutreten besonderer Begleitumstände, die den Wettbewerb verfälschen, insbesondere, wenn das Abwerben unter Irreführung oder mittels aggressiver geschäftlicher Handlung vorgenommen wird, handelt ein Unternehmer rechtswidrig und kann daher nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf Unterlassung und Schadenersatz geklagt werden.

Finanzielle Vorteile für den abgeworbenen Arbeitnehmer sind ein wettbewerbsimmanenter Bestandteil jedes attraktiven Angebots. Hier liegt keine unlautere Beeinflussung vor. Das Versprechen einer so genannten „Wechselprämie“ ist zum Zweck des Abwerbens eines Arbeitnehmers grundsätzlich zulässig.

Kann ich mich im Arbeitsvertrag gegen das Abwerben von Arbeitnehmern schützen?

Eine Möglichkeit, die auch das Angestelltengesetz selbst vorsieht, besteht darin, im Arbeitsvertrag eine Konkurrenzklausel zu vereinbaren. Mit einer Konkurrenzklausel kann der Arbeitgeber den Angestellten für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränken. Die Beschränkung kann sowohl künftige unselbstständige Tätigkeiten des Angestellten in einem Dienstverhältnis bei einem Konkurrenzunternehmen als auch selbstständige Tätigkeiten als Unternehmer erfassen. Die Konkurrenzklausel darf sich aber nur auf den Geschäftszweig des Arbeitgebers beziehen.

Die Konkurrenzklausel darf den Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigen. Außerdem darf die Konkurrenzklausel den Angestellten nicht nach Gegenstand, Zeit oder Ort und im Verhältnis zu dem geschäftlichen Interesse, das der Arbeitgeber an ihrer Einhaltung hat, unbillig in seinem beruflichen Fortkommen behindern.

Eine Konkurrenzklausel kann dann sittenwidrig sein, wenn die Interessensabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder ein grobes Missverhältnis zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Angestellten zu Lasten des Angestellten ergibt.

 

Ist eine Konkurrenzklausel vereinbart, hat der Arbeitgeber einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Angestellten auf Unterlassung. D.h. er kann den ehemaligen Angestellten klagen und von ihm verlangen, keinen Arbeitsvertrag mit einem Konkurrenzunternehmen abzuschließen. 

Daneben kann der Arbeitgeber gegen den ehemaligen Angestellten bei Verletzung der Konkurrenzklausel Schadenersatz verlangen. In der Praxis scheitert eine Schadenersatzklage gegen den Angestellten aber oft daran, dass ein kausal verursachter Schaden nicht nachweisbar ist. Dagegen kann man sich absichern, indem man eine Konventionalstrafe vereinbart, die der ehemalige Angestellte bei der Verletzung der Konkurrenzklausel zahlen muss. Ist eine Konventionalstrafe vereinbart, kann aber nicht mehr auf Unterlassung geklagt werden. Der Angestellte kann sich also quasi von der Konkurrenzklausel freikaufen. In der Praxis wird der Angestellte nicht selten vom neuen Arbeitgeber freigekauft, indem er eine Wechselprämie in Höhe der Konventionalstrafe erhält. Die Zahlung dieser Wechselprämie ist nach dem OGH ebenfalls nicht rechtswidrig.

Was hilft gegen Abwerbeversuche von Konkurrenten?

Wie oben dargestellt, können Sie sich natürlich im Arbeitsvertrag mithilfe einer Konkurrenzklausel absichern. Dazu raten wir auch in jedem Fall.

 

Weiters kann je nach Lage des Einzelfalls geprüft werden, ob ein Konkurrenzunternehmen bei der Abwerbung des Mitarbeiters in unlauterer Weise vorgegangen ist. Dann kann dieses Unternehmen auf Unterlassung und Schadenersatz geklagt werden.

Das sind aber alles defensive Strategien. Proaktiv wäre es, ein Betriebsklima und Unternehmenskultur zu schaffen, die die Fachkräfte des Unternehmens so schätzen und mögen, dass für sie ein Wechsel zur Konkurrenz (bei der eine derartige Unternehmenskultur nicht gegeben ist) gar nicht in Betracht kommt. Wir empfehlen Ihnen, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das die persönlichen Ziele, Visionen und Werte Ihrer Arbeitnehmer bestmöglich fördert. Das setzt natürlich voraus, dass Sie dieses Umfeld mit den Arbeitnehmern gemeinsam schaffen. Wenn die Arbeitnehmer selbst die Werte, Vision und Ziele des Unternehmens mitbestimmen können, fühlen sie sich damit verbunden, weil sie das Unternehmen mitgestalten. Es wird zu ihrem Unternehmen. Die Mitarbeiter werden zu „Mitunternehmern“. So entsteht aus und mit den Mitarbeitern eine Unternehmenskultur, die letztlich auch für Fachkräfte aus Konkurrenzunternehmen anziehend wirkt.

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RA Mag. Bernd Trappmaier

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