Wer eine Immobilie (Haus, Grundstück, Wohnung) privat verkauft (bei der Veräußerung von Betriebsvermögen fällt keine Immobilienertragssteuer an), der muss in der Regel – d.h. wenn kein Befreiungstatbestand erfüllt ist – Immobilienertragssteuer entrichten.
In der Praxis ist die Hauptwohnsitzbefreiung ein sehr wichtiger Befreiungstatbestand.
Wann kommt die Hauptwohnsitzbefreiung zur Anwendung?
Es gibt zwei unterschiedliche Befreiungstatbestände:
Die Hauptwohnsitzbefreiung gilt beim Verkauf von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden, wenn
- der Verkäufer ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend seinen Hauptwohnsitz dort hatte oder
- der Verkäufer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend seinen Hauptwohnsitz dort hatte.
Grundstücksgröße
Nun sagt das Gesetz nichts über die Grundstücksgröße. Die ImmoESt besteuert ja nicht nur das Eigenheim selbst, in dem der Hauptwohnsitz begründet war, sondern auch den Grund und Boden, auf dem das Eigenheim steht.
Die Ansicht des BMF
Das Bundesministerium für Finanzen steht auf dem Standpunkt, dass die Hauptwohnsitzbefreiung nur für Grundstücke bis maximal 1.000 m² gilt. D.h. bis zu dieser Größe fällt bei Anwendung der Befreiungsbestimmung keine ImmoESt an, für die darüber hinausgehende Fläche aber schon. Insoweit ist daher der auf den Grund und Boden entfallende Kaufpreis aliquot der Steuer zu unterziehen.
In Rz 6634 der Einkommenssteuerrichtlinien 2000 wird ausdrücklich ausgeführt:
Die Hauptwohnsitzbefreiung stellt grundsätzlich eine Gebäudebefreiung dar, wobei auch der Grund und Boden insoweit einbezogen wird, als der Grund und Boden der Nutzung des Eigenheims oder der Eigentumswohnung als Garten oder Nebenfläche dient. Dies gilt bis zu einem Ausmaß, das „üblicherweise als Bauplatz“ erforderlich ist. Die Beurteilung, welche Grundstücksgröße üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist, erfolgt nach der Verkehrsauffassung (VwGH 29.3.2017, Ro 2015/15/0025). Dies ist bei Grundstücksflächen bis zu 1.000 m² – bezogen auf die Gesamtgrundstücksfläche und nicht auf den reinen Gartenanteil – jedenfalls anzunehmen. Bei größeren Grundstücken ist daher angesichts der üblichen Mindestbauplatzgrößen der 1.000 m² übersteigende Grundanteil steuerpflichtig.
Das Erkenntnis des VwGH vom 29.3.2018, Ro 2015/15/0025
Der Verwaltungsgerichtshof wurde kürzlich mit dieser Fragestellung angerufen.
Es ging konkret um ein Haus, das auf einem 3.646 m² großen Grundstück errichtet wurde. Obwohl an sich der Tatbestand der Hauptwohnsitzbefreiung erfüllt war, besteuerte das zuständige Finanzamt den Kaufpreis und zwar in dem 1.000 m² übersteigenden Ausmaß.
Der VwGH führte aus:
Nach den Erläuterungen zur Neuregelung der Immobilienbesteuerung mit dem 1. StabG 2012 (1680 BlgNR 24. GP, 8) sind „wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b)“ von der Besteuerung ausgenommen, welche zwischen Anschaffung und Veräußerung durchgehend für mindestens zwei Jahre den Hauptwohnsitz des Veräußerers darstellen. Zur Stammfassung des § 30 EStG 1988 wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt, dass die Steuerbefreiung auch für den „Grundanteil bzw. den Grund gelte, der üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist“ (621 BlgNR 17. GP, 82).
In welchem Umfang Grund und Boden einer Baulichkeit zuzuordnen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Entnahme eines gemischt genutzten Gebäudes im Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 98/15/0019, behandelt. Demnach bildet bei einem bebauten Grundstück das Gebäude mit Grund und Boden ein einheitliches Wirtschaftsgut. Dabei gehört zum Wirtschaftsgut nicht nur jener Boden, auf dem das Gebäude steht, sondern auch die das Gebäude umgebende Bodenfläche, welche nach der Verkehrsauffassung zusammen mit dem Gebäude als Einheit „bebautes Grundstück“ angesehen wird.
Unter Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien und die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 dahingehend auszulegen, dass dem begünstigten Eigenheim „Grund und Boden“ in jenem Ausmaß zuzuordnen ist, das „üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist„. Nur in diesem Ausmaß erstreckt sich die Steuerbefreiung auch auf den mitveräußerten „Grund und Boden“.
Die Beurteilung, welche Grundstücksgröße üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist, erfolgt nach der Verkehrsauffassung.
Was bedeutet das für die Praxis?
Wenn das veräußerte Grundstück, auf dem ein Eigenheim als Hauptwohnsitz genutz wurde, größer als 1.000 m² ist, ist für die Berechnung der ImmoESt der Kaufpreis auf das Gebäude und auf den Grundanteil aufzuteilen.
Für diese Aufteilung bietet die GrundanteilV 2016 einen Anhaltspunkt. Danach entfallen 20% (in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern, wenn der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Bauland weniger als 400 Euro beträgt) auf den Grund und Boden.
Eine empfehlenswerte Alternative ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Aufteilung des Kaufpreises auf Gebäude und Grund.
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